Offenbar bereitet es ihm Mühe, die Rassenschranken zu überwinden. Das Mädchen lacht statt zu antworten und zuckt lapidar mit den Schultern. Sie sind disparat und doch bedingen sie sich gegenseitig. Zugleich aber können Speichermedien korrumpiert oder doppeldeutig sein und geben in der Folge die eigentlich zu tradierenden Inhalte dem Vergessen oder einem Missverständnis anheimMarguerite Duras thematisiert das ebenfalls in ihrer autobiographischen Erzählung:Tous les gens photographiés, j’en ai vus beaucoup, donnaient presque la même photo, leur ressemblance était hallucinante. Im Roman L’Amant von Marguerite Duras spielt die Erinnerung eine zentrale Rolle. Das Mädchen fordert ihn auf, das mit ihm zu tun, was er auch mit anderen Frauen tue, woraufhin er ihr die Kleider vom Leib reißt und sie nackt ins Bett trägt. Der Liebhaber fürchtet um die Entdeckung ihrer Beziehung, die rechtliche Folgen für ihn hätte, denn man könnte ihn wegen Verführung einer Minderjährigen anklagen.Eines Tages begegnen sich die Familie des Mädchens und der Chinese. Ab 1940 gehörte sie zur Résistance, vier Jahre später trat sie der Kommunisti-schen Partei bei, aus der sie 1950 wieder ausgeschlossen wurde. „Was, wie und warum erinnern Kulturen?“ – Ein Überblick über die Gedächtnisforschung 32. Die Entwicklung geht von der Oralität als Medium, hin zur Schrift und Literatur, bis zu digitalen Formen der Unterstützung und Erweiterung des individuellen Gedächtnisses. Medien sind von Beginn an Träger der Erinnerungen. Denn die Existenz in dieser Zwischenwelt - geächtet von der weißen Kolonialgesellschaft, geliebt vom Angehörigen einer anderen Rasse -, diese Position am Rand der Gesellschaft gewährt ihr eine Narrenfreiheit, die sie zu genießen gelernt hat.Erst langsam begreifen die beiden Liebenden, dass die unausweichlich bevorstehende Abreise eigentlich ihr Glück ist. Erst jetzt wird der Erzählerin bewusst, dass sie den Chinesen geliebt hat. Dort ruft er seine einstige Geliebte an und gesteht ihr seine immerwährende Liebe.Bei Der Liebhaber handelt es sich um ein stark autobiografisch geprägtes Bekenntnis. Auf dieser Fähre, so Duras, habe sie begonnen, sich von ihrer Familie zu lösen. Das individuelle Gedächtnis ist durch das kollektive Gedächtnis sozial geprägt.Die Theorie des kollektiven Gedächtnisses, geht „[…] auf den Gründungsvater der kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung, Maurice Halbwachs, […]“Unterschieden wird in der Gedächtnisforschung zwischen den Begriffen Gedächtnis, Erinnern und Erinnerung in dem Sinne, dass „[…] Erinnern als ein Prozess, Erinnerungen als dessen Ergebnis und Gedächtnis als eine Fähigkeit oder eine veränderliche Struktur […]“ (AE, S. 7) verstanden wird. Marguerite Duras was a French writer, dramatist and filmmaker, and is now recognized as one of the most original and influential novelists of the 20 th century. Seit seinem Tod zieht die Familie durchs Land und lebt dort, wo die Mutter als Lehrerin gerade Arbeit findet. Als der Vater der Erzählerin noch lebte, wohnte die Familie in einem ehemaligen Palast des Königs von Kambodscha in Phnom Penh. Die Reise zurück nach Frankreich dauert 24 Tage. 1945 wurde ganz Indochina von den Japanern besetzt, womit die französische Kolonialherrschaft endete - vorübergehend, denn nach der Kapitulation der Japaner kehrten die Franzosen zurück. In den Gefängnissen wurde gefoltert, viele Aufständische wurden erschossen, jeden Abend fanden Hinrichtungen statt. Politisch ließen sich persönliche Probleme nicht lösen, sagt die Ich-Erzählerin an einer Stelle im Roman.Den Roman Der Liebhaber schrieb die Autorin erst ein halbes Jahrhundert nach ihren Erlebnissen in Indochina, sie war bereits 70 Jahre alt. Die Mutter und die Brüder lassen sich in teure Restaurants ausführen, sie nutzen den Reichtum des Liebhabers aus. Keinen Weg, keine Linie. Der Tochter gelingt es jedoch, die Mutter zu beruhigen.Immer häufiger bleibt das Mädchen dem Pensionat fern, was jedoch keine Folgen nach sich zieht: Man will die wenigen weißen Gesichter, die man für das eigene Image braucht, nicht vertreiben und nimmt auch Inkonsequenzen bei der Einhaltung von pädagogischen Richtlinien in Kauf. Nach dem Erfolg von Der Liebhaber und der Auszeichnung mit dem Prix Goncourt, dem bedeutendsten Literaturpreis Frankreichs, feierten die Medien Duras, und sie wurde eine populäre Interviewpartnerin. Die markierten Textstellen erscheinen hier. Egal ob in Roman, Film oder Theaterstück: Die Frage nach Wahrheit und Erfindung drängt sich im Duras’schen Werk stets auf; Fiktion und Wirklichkeit vermischen sich auf geheimnisvolle Weise.Bei der Veröffentlichung des Romans Der Liebhaber im Jahr 1984 war Marguerite Duras längst bekannt, schon mit dem Drehbuch zu Hiroshima, mon amour (1959) - ein Film von Alain Resnais - wurde ihr international Aufmerksamkeit zuteil. Die Schwester ist das verbindende Element, und nur sie wagt ab und zu ein Widerwort. Gerüchte über die Beziehung ihrer Tochter zu dem reichen Chinesen dringen zwar weiterhin zu ihr, doch sie schenkt ihnen offiziell keinen Glauben. Diese wohl legendärste Amour fou der Weltliteratur sorgte bei ihrer Veröffentlichung zunächst für Empörung, um nur wenig später mit Frankreichs bedeutendstem Literaturpreis ausgezeichnet zu werden.